Die Zeitung und der Krieg
Für die Gefangenen in Bando endete ihre unmittelbare Teilnahme am Krieg am 7. November 1914, drei Monate und sieben Tage nach Kriegsbeginn, aber für den Rest des Krieges und bis in das Jahr 1919 hinein fühlten sie sich in den Krieg und seine Folgen einbezogen. Viele Artikel in der Zeitung spiegeln dieses Gefühl wider und helfen uns, die Auswirkungen auf die Gefangenen und ihre Reaktionen auf die Ereignisse und Entwicklungen zu verstehen. Vor allem hofften die Gefangenen auf einen erfolgreichen Ausgang für Deutschland, der ihre Befreiung und in einigen Fällen sogar eine Rückkehr nach Tsingtao zur Folge haben würde. Nicht alle hier erwähnten Artikel stehen in direktem Zusammenhang mit dem Krieg, aber sie tragen dazu bei, den Zeitgeist zu vermitteln. Dieser Abschnitt soll vor allem darauf hinweisen, wo weitere Informationen zu finden sind.
In der allerersten Ausgabe der Zeitung gibt es einen Artikel aus einer britischen Zeitung, in dem es darum geht, dass die deutsche Armee in Frankreich eine neue Verteidigungsstrategie anwenden würde. Dies erinnert uns daran, dass bereits eine beträchtliche Zeit verstrichen war, bevor die Gefangenen nach Bando kamen. Die Gefangenen aus Tokushima kamen nämlich an dem Tag an, an dem die USA Deutschland den Krieg erklärten - am 6. April 1917. Deutschland hatte bereits Anfang Februar die uneingeschränkte U-Boot-Kriegsführung wieder aufgenommen. Aufschlussreich ist auch, dass die Gefangenen Zugang zu englischsprachigen Nachrichten hatten - es gab im Lager einen täglichen Telegrammdienst (TTD), der sich auf Berichte britischer, amerikanischer und japanischer Agenturen stützte. Zusammen mit den Zeitungen aus Deutschland verfügten die Häftlinge somit über ein breites Spektrum an Material, auf das sie zurückgreifen konnten. Dennoch hatten sie das Bedürfnis nach einer zuverlässigen, informierten und sympathischen Interpretation der Ereignisse. Diese lieferte Rudolf Mahnfeldt, der vor dem Krieg als Rechtsanwalt in Shanghai tätig gewesen war. Sein erster Artikel in der Zeitung betraf einen Fall von scheinbarer Ungerechtigkeit in Shanghai 1. Sein nächster Artikel 2 war ein amüsanter Bericht darüber, wie die deutsche Gemeinschaft ein Patois entwickelt hatte, das sich aus dem Leben in einem Vertragshafen ergab, in dem Englisch die Norm war. Er vermittelte den hedonistischen Vorkriegslebensstil der dortigen Auswanderergemeinschaft. Während seines Aufenthalts hatte er ein verantwortungsvolles Amt im Deutschen Reitverein 3 inne. Im Juni 1912 veranstaltete die Royal Asiatic Society eine Ausstellung von 125 chinesischen Gemälden aus seiner Sammlung 4. 1914 reiste er pflichtgemäß nach Tsingtao und begann seine militärische Laufbahn als Gefreiter, wobei er schnell zum Unteroffizier befördert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war er sechsunddreißig Jahre alt.
Mahnfeldt war während des gesamten Bestehens der Zeitung als Redakteur tätig. In der Zeitung unterzeichnete er seine Beiträge mit den Initialen „R.M.". Neben seiner Rolle als Musikkritiker hat er im Oktober 1917 einen Rückblick auf die Kriegsereignisse veröffentlicht und ab dann berichtete er bis Dezember 1918 monatlich über den Krieg und seine Folgen. Neben dieser großen Aufgabe schrieb er auch über politische Themen.
Im Januar 1919 führte Mahnfeldts Darstellung der deutschen Niederlage in der Novemberübersicht zur Veröffentlichung einer Ablehnung 5 durch Hans Jensen, auf die sofort eine Erwiderung6 folgte. Diesem wiederum folgte der offene Brief von Carl Vissering6. Mahnfeldt veröffentlichte zwei weitere Artikel zu politischen Themen, bevor das Lager geschlossen wurde8,9. Es ist nicht bekannt was er nach dem Krieg gemacht hat, aber er ist am 25. März 1923 im Alter von 45 Jahren im Paulein-Krankenhaus in Shanghai10 gestorben.
Oberleutnant Robert Martin war bei Ausbruch des Krieges 25 Jahre alt und Berufssoldat. Während des gesamten Bestehens der Zeitung gehörte auch er der Schriftleitung. Seine Beiträge waren mit „M." unterzeichnet. Seine Artikel spiegelten im Allgemeinen sein Interesse an militärischen Angelegenheiten und Ereignissen im Lager wider. Nur gelegentlich wagte er sich an allgemeinere und politische Themen.
Martin berichtete auch über verschiedene Aufführungen im Lager. Nach dem Ende des Krieges kehrte er nach Deutschland zurück und wurde später Rechtsberater.
Friedrich Solger, der ebenfalls Redakteur der Zeitung war, war bei Kriegsausbruch sechsunddreißig Jahre alt. Zu dieser Zeit war er Professor für Geologie an der Universität Peking und Leutnant der Reserve. In der Zeitung schrieb er ausführlich über naturwissenschaftliche Themen, aber auch über das Leben im Lager und über den Krieg. Seine Beiträge sind mit „S." gekennzeichnet. Solger schrieb auch Rezensionen von Theaterstücken, die im Lager aufgeführt wurden. Er kehrte nach Deutschland zurück und wurde Professor an der Humboldt-Universität in Berlin.
Hermann Bohner, der Sohn eines deutschen Missionars, der unter dem Pseudonym „P.Sq." (Peter Squenz) zahlreiche Artikel für die Zeitung verfasste, schrieb fast nie über den Krieg, wobei ein Artikel eine kleine Ausnahme darstellte11, in dem er auf ein Bündnis zwischen Finnland und Deutschland hindeutete. Er schrieb häufig Artikel, in denen er Theaterstücke oder Musikstücke vorstellte oder interpretierte, die im Lager aufgeführt werden sollten.
Neben den Artikeln der oben genannten Autoren gab es weitere Artikel in der Zeitung, die sich auf den Krieg bezogen und die nicht unterzeichnet waren oder von Autoren geschrieben wurden, die nur selten schrieben oder deren Namen wir nicht identifizieren konnten:
- #2.09: Militärische Jugenderziehung
- #2.11: Amerikanisch
- #3.05: Zur Lage
- #3.12: Vorwärts blicken
- #3.17: Gedanken zur Siegesfeier in Schanghai
- #4.01: Deutsch-Österreich
- #4.01: Das neue Deutschland
- #4.01: Vom deutschen Wesen
- #4.01: Wehe den Besiegten
- #4.02: Etwas über Landflucht
- #4.04: Von deutschen und anderen Wilden
- #4.04: Zur Abstimmung in Schleswig
- #4.05: Zur Weihe des Gedenksteins
- #4.06: Fazit
- #4.06: Einige kurze Winke für den Truppentransport
Berichte über den Krieg, die politische Situation und die Verhältnisse außerhalb des Lagers, die aus anderen Quellen stammen und in der Zeitung veröffentlicht wurden, geben einen Einblick in die redaktionelle - und allgemeinere - Einstellungen:
- #1.01: Unser neues Verteidigungsverfahren an der Westfront
- #1.05: Japans Stellung zum Weltkrieg
- #1.11: Himmeldonnerwetter!
- #1.12: Elsaß-Lothringen und das Nationalitätsprinzip
- #1.15: Offener Brief des Generaldirektors a.D. Bröckelmann gegen Wilson
- #1.16: Bericht des Kapitäns des amerikanischen Seglers „Slade“ über den „Seeadler“
- #1.19: Aus der Stobsiade
- #1.21: Erinnerungen an Hindenburg
- #1.21: Die Reichstagsresolution vom 19. Juli 1917
- #1.24: Einiges über die Ukraine
- #2.03: Die Bodenschätze des Elsasses und Lothringens
- #2.06: Ein „amerikanisches“ Gespräch
- #2.14: Der letzte Gruß von einem Namenlosen
- #2.15: Die Ypern-Schlacht
- #2.16: Der Kaiser im Lazarett
- #2.16: Reiterlied
- #2.18: Heimische Erlassen und Verfügungen
- #2.19: 1914-1917
- #2.19: Ein tapferer deutscher Offizier
- #2.23: Ein Brief Generalfeldmarschalls von Hindenburg.
- #2.23: Die Landsturm-Musterung
- #2.24: Zum Verständnis heutiger Kriegshandlungen
- #3.02: Kriegsherbst
- #3.08: Ein Abschiedswort unseres Kaisers
- #3.09: Ein Brief Pfarrer Schröders an unser Lager
- #3.12: Strophen an die Heimat
- #3.12: Spruch auf einem Soldatengrab in den Maasbergen
- #3.12: Worte von Hindenburg
- #3.13: Die Parallele mit Napoleon
- #3.14: Geschichten über den Krieg
- #3.15: Zur Seelenkunde des Amerikaners
- #3.16: Geschichten über den Krieg II
- #3.19: Die Stacheldrahtkrankheit
- #3.21: Dank, Dank dir, deutsches Heer
- #3.22: Die Zukunft Deutschösterreichs
- #3.25: Die Chemie nach dem Kriege
- #3.26: Dichtungen von Kriegsgefangenen in Kurume, Japan
- #4.01: Vom deutschen Wesen
- #4.03: Deutscher Glaube
- #4.05: Die Ursache des Weltkrieges
- #4.06: Deutschlands Niederlage
- #4.06: Deutsche und dänische Kriegskost
- #4.06: Warum nahm Amerika am Kriege teil?
- #4.06: Gedichte von Jakob Schnitzler
Fußnoten
- 1. #1.02: Englische Rechtspflege in Schanghai
- 2. #1.03: Die Zigeunersprache des Ostens
- 3. North China Herald, 23rd December 1910, Page 717
- 4. North China Herald, 15th June 1912, Page 752
- 5. #3.13: Arbeiten und nicht verzweifeln
- 6. #3.13: Erwiderung
- 7. #3.14: Offener Brief
- 8. #4.02: Die bolschewistische Gefahr
- 9. #4.03: Das Ansiedlungsgesetz
- 10. North China Herald, 31.03.1923
- 11. #2.21: Zu dem „Björneborger Marsch“